Dienstag | 12.01.2021 | 19:00 Uhr
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Jena

Geschichte statt Erinnerung. Plädoyer für eine historisch fundierte und politisch wache Gedenkstättenarbeit

Haus der Wissenschaft, Olbers-Saal
Universität Bremen

Prof. Dr. Jens-Christian Wagner ist Historiker und seit 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der FSU Jena sowie Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Zuvor leitete er von 2014 bis 2020 die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Wagner hat zahlreiche Publikationen zur Geschichte des Nationalsozialismus und zur Erinnerungskultur nach 1945 verfasst und Ausstellungen zu diesen Themen kuratiert. Er gilt als einer der weltweit führenden Experten zum Thema NS-Zwangsarbeit und berät international Gedenkstätten und Museen.
Wagner vertritt die deutschen Bundesländer im Internationalen Komitee der Stiftung Auschwitz- Birkenau. Wichtige neuere Veröffentlichungen: (Hg.) Menschen in Bergen-Belsen (2019), (Hg.) Kinder im KZ Bergen-Belsen (2018), (Hg.) 70 Tage Gewalt, Mord, Befreiung (2016), Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora (2015), (Hg.) Wiederentdeckt. Zeugnisse aus dem KZ Holzen (2013), (Hg.) Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg (2012), Ellrich 1944/45 (2009).

Weltweit beneiden viele Menschen die Deutschen für ihre Erinnerungskultur. Tatsächlich gibt es in kaum einem anderen Land ein derart dichtes Netz von Gedenkstätten und Dokumentationsorten zu Regime- und Gesellschaftsverbrechen. Doch die Erinnerungskultur ist in Entlastungsritualen erstarrt. An die Stelle kritischer Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen der Verbrechen ist die normative Rede von der »Erinnerung« getreten – samt Pathos, moralischen Appellen und einem lediglich auf die Opfer gerichteten Blick, der von Fragen nach den Ursachen der Mitmachbereitschaft im Nationalsozialismus und nach der Funktionsweise der radikal rassistisch organisierten NS-Gesellschaft ablenkt. Genau darin lägen aber Aktualitätsbezüge, die auch jungen Menschen die Relevanz der Gedenkstättenarbeit vermitteln.